„Ich mochte meine Bilder. Ich liebte sie. Ich war stolz auf meine Phantasie und badete in den bunten, knalligen Farben. Meine ganze Welt bestand ja ausschließlich aus kranken Gedanken, aus Zwängen und der Sehnsucht nach Selbstzerstörung. Zu malen zwang meinen Perfektionismus in die Knie, und die Bilder führten mir gnadenlos meine noch vorhandenen, schönen Phantasien vor Augen. Da einem die Magersucht eine zweite Persönlichkeit aufzwingt, war dies der einzige Weg, mich selbst wiederzuerkennen.“ (Zitat Louise Jacobs)
In Louise Jacobs‘ Buch geht es um die Befreiung von Zwängen. Die Autobiographie erzählt, wie sie von frühester Kindheit an mit Erwartungen und Rollen konfrontiert wird, die sie nicht erfüllen kann.
Für mich ist dieses Buch ein sehr interessantes und extrem spannendes Leseerlebnis gewesen. Die persönliche Entwicklung von Louise ist ein berührendes und mutiges Beispiel dafür, wie sich aus einem „kranken“, verunsicherten Kind eine kraftvolle und eigenwillige Person entwickeln kann. Der Kampf um die Bewältigung der Magersucht spielt eine zentrale Rolle. Trotz der Schwere dieses Stoffs steht eine positive Andersartigkeit, nämlich die der willensstarken und zugleich zerbrechlich-empfindsamen Louise Jacobs, im Vordergrund. Die Sehnsucht der Autorin ist ein großes Geschenk, eine Sehnsucht, die hungrig auf das Leben macht, trotz oder gerade wegen aller Widrigkeiten.
(Fräulein Jacobs funktioniert nicht: Als ich aufhörte, gut zu sein. Knaur Taschenbuch, Euro 9,90)
Bildnachweis: istockphoto.com/Elena Alyukova-Sergeeva
Dorothee Walter arbeitet seit 2005 als Kunsttherapeutin im TCE. Sie ist Diplom-Musikbibliothekarin und Kunsttherapeutin mit langjährigen Erfahrungen im Museumswesen (Lenbachhaus München), eigenen Ausstellungsprojekten und Kreativworkshops. Ihr besonderes Interesse gilt der modernen Kunst, sie besucht gerne Ausstellungen, liebt Yoga und Tanzen, schreibt und zeichnet gerne in ihr Tagebuch und findet ihren Ausgleich in der Stille der Natur. Sie lebt mit ihrem Mann und ihrer Tochter im Isartal.