In diesem Text geht es um den ersten Schritt im bildnerischen Prozess und letztendlich auch im Leben. Wie wir oft bereits am Anfang aufgeben und was uns zum Aufgeben drängt. Was wir tun können, um etwas zu wagen und anzufangen. Es geht um Vertrauen und um einen Perspektivwechsel.
„Wirf die Jacke über den Bach!“ Dieses Zitat ist eine der prägendsten Weisheiten meines ehemaligen Professors und begleitet mich bis heute. Wenn da ein Teil von dir auf der anderen Seite liegt, dann musst du hinterher, diesen ersten Sprung wagen. Und so fühlt es sich ja manchmal an, wenn man etwas Neues beginnt, und sei es nur so etwas Einfaches wie ein Bild. Da ist zunächst diese Leere, die uns drängt, etwas tun zu müssen, und gleichzeitig der Zensor, der sagt, dass man es nicht kann.
Jetzt heißt es Mut fassen und anfangen. Und dennoch werden wir oft zurückgehalten. Wir wissen um diesen ersten Schritt, den man tun sollte, wenn man sich auf den Weg machen möchte. Aber immer wieder ist er schwer. Da ist sie nun, die leere Fläche und gleichzeitig die Leere im Kopf. Wie beginnen, wenn doch alles bereits gesagt oder gestaltet wurde und gleichzeitig eigentlich nichts? Der Zensor im Kopf steht sofort bereit: „Du kannst das nicht!“, „Es wird doch nichts!“. Diese gemeine Blockade im Kopf hindert uns weiterzugehen und oftmals den ersten Schritt zu wagen. Ein Bild anzufangen, ist wie eine Reise, die man antritt. Man weiß am Anfang noch nicht, was am Ende dabei rauskommen wird. Das möchte man jedoch so gern. Bereits wissen, wie es am Ende aussieht. Einen Plan haben und das fertige Bild aus dem Kopf auf den Bildträger projizieren. Im Laufe des Gestaltens merkt man jedoch, dass die Vorstellung ganz anders ist als die Wirklichkeit. Ich schaue während des Gestaltens enttäuscht zu, dass es nicht so wird, wie mein Kopf es vorgibt.
Nun denken wir einmal anders und gehen mit einer anderen Haltung an die Sache heran. Ändern sozusagen die Perspektive. Das weiße Blatt, zunächst empfunden als Anforderung – wieder etwas, das ich bearbeiten muss – wird nun zur Möglichkeitsfläche. Wenn alles möglich wäre, was wäre das Einfachste, das ich jetzt malen könnte? Was würde ich gestalten, wenn ich noch kein fertiges Bild im Kopf hätte? Eine Farbe oder eine Linie erscheint. Ganz einfach, pur, simpel. Eine Setzung wird gemacht. Der berühmte erste Schritt. Ich werfe demnach meine Jacke über den Bach. Um diese anfängliche Bewegung, dieses Wagnis kommen wir nicht herum. Ich muss Vertrauen haben, dass ausgehend von dieser ersten Setzung ein Bild entstehen wird. Der erste Kontakt mit dem Stift oder dem Pinsel hinterlässt eine Spur. Ein Ankommen, eine Eröffnung, eine zarte Begegnung. Nun kommt eine zweite Farbe oder ein weiterer Strich hinzu. Ein Gespräch kann beginnen. Neues wird dem Alten hinzugesetzt oder entgegengesetzt. Die zweite Farbe reagiert auf die erste auf ihre eigene Art und Weise. So kann es eine Harmonie ergeben, aber auch einen Widerspruch beinhalten. Daraufhin kommt eine weitere Farbe, sie mischt sich ein und möchte ebenso eine Spur hinterlassen. So lange bis der Raum gefüllt ist. Am Ende kann man sehen, welche Art von Gespräch stattgefunden hat.
Wie können wir uns auf diese Reise vorbereiten, wie können wir Fähigkeiten entwickeln, mit denen wir uns sicher im Feld der Unsicherheit bewegen? Darauf gibt es, wie so oft im Leben, keine einfache Antwort. Zunächst den Zauber des Anfangs sehen, eine Chance. Vertrauen haben, dass es gelingt, akzeptieren, wenn es nicht gelingt, und immer wieder, jeden Tag neu, die Jacke über den Bach werfen!
Bildnachweis: TCE
Franziska Schmid arbeitet seit 2012 als Kunsttherapeutin am TCE. Für sie ist es wichtig, zu vermitteln, dass Bilder Begleiter sein können und einen ganz besonderen Zugang zum eigenen Selbst offenbaren. Ansonsten soll das Gestalten Spaß machen und voller Möglichkeiten sein. Ihre Freizeit verbringt sie gerne in ihrem eigenen Atelier. Es ist ihr Rückzugsort, an dem sie selbst gestalterisch tätig ist.