Die Wahrscheinlichkeit, eine Anorexie zu entwickeln, liegt für Frauen über die Lebensspanne bei ein bis zwei Prozent, d.h. von 1.000 Frauen sind oder waren zehn bis 20 in ihrem bisherigen Leben an Magersucht erkrankt. Nur jeder elfte Betroffene ist männlich. Betrachtet man jeweils 100.000 Frauen oder Männer, so sind innerhalb eines Jahres bei den Frauen neun bis 15 Neuerkrankungen zu verzeichnen, bei den Männern eine, die meisten davon in der Altersgruppe der 15- bis 19-Jährigen. Allerdings sind zunehmend auch Kinder und Jugendliche zwischen zehn und 14 Jahren betroffen.
Einstieg in die Krankheit ist häufig eine Diät, die nicht beendet, sondern mit der Zeit immer restriktiver wird. Der Krankheitsverlauf einer Magersucht ist meist sehr dynamisch. Die Betroffenen schränken ihre Nahrungsauswahl immer mehr ein, verzichten insbesondere auf fett- und kohlenhydrathaltige Lebensmittel. Manchmal sind ausgewählte Obst- und Gemüsesorten (z. B. Äpfel oder Gurken) das Einzige, was zuletzt noch gegessen wird. Oft haben die Betroffenen selbst dann noch Angst davor, zu dick zu sein oder zu werden, wenn sie bereits krankhaft dünn und untergewichtig sind.
Was Fachleute unter einer Magersucht (Anorexia nervosa) verstehen, ist genau definiert. Im Wesentlichen gelten folgende Merkmale (Diagnosekriterien nach DSM-V, gekürzt):
Bei der sogenannten Atypischen Anorexia nervosa sind sämtliche Kriterien einer Magersucht erfüllt, das Körpergewicht liegt jedoch noch im oder über dem Normalbereich.
Unterformen der Magersucht
Fachleute unterscheiden diese zwei Formen:
a) Restriktiver Typ der Anorexia nervosa
Der Gewichtsverlust bzw. die fehlende Gewichtszunahme wird durch Essensverweigerung, Vermeidung von kalorienreichen Speisen und/oder durch vermehrte Bewegung (Sport) erreicht.
b) Binge-purging-Typ der Anorexia nervosa
Die Betroffenen versuchen, ihr Gewicht durch Erbrechen oder den Gebrauch von Abführmitteln und entwässernden Medikamenten weiter zu reduzieren.
Häufig treten bei diesem Typus auch Essanfälle auf.
c) Atypische Anorexie
Hierbei sind die meisten Symptome einer klassischen Magersucht erfüllt, es fehlt jedoch eines der definierenden Kriterien für eine klassische Anorexia nervosa.
Für Betroffene beider Subtypen ist ein großer Teil des Tages damit ausgefüllt, das Leben so zu organisieren, dass die Nahrungsverweigerung nicht auffällt. Sport und Bewegung nehmen viel Raum ein. Der Alltag wird dadurch nicht selten sehr kompliziert, was zum Rückzug von der Familie und den Freunden und zur sozialen Vereinsamung führen kann.
Magersüchtigen wird oft Appetitlosigkeit und Ekel vor Essen unterstellt. Das ist aber nicht der Fall. Die Beschäftigung mit Essen, das Träumen von köstlichen Mahlzeiten, das Lesen von Kochbüchern beherrschen die Gedankenwelt der Magersüchtigen ebenso wie Überlegungen, wo und was an Nahrung noch eingespart werden kann. Nicht selten kochen magersüchtige Mädchen gerne und gut für die Familie, nehmen unter einem Vorwand aber nicht an den gemeinsamen Mahlzeiten teil. Oder aber sie geben vor, zu kauen und zu essen, spucken das Essen aber heimlich aus.
Die Überwindung der eigenen Hungergefühle erleben Menschen mit Anorexie als Leistung. Diese Leistung stärkt das Selbstbewusstsein und vermittelt das Gefühl, etwas Besonderes zu können und zu sein.
Menschen, die an einer Anorexie erkrankt sind, weisen gegenüber der gesunden Normalbevölkerung eine um mehr als das fünffache erhöhte Sterblichkeit auf. Das Sterblichkeitsrisiko ist damit höher als bei allen anderen psychischen Erkrankungen. Erfahren Sie hier mehr über mögliche Spätfolgen einer Anorexie.